Südafrika

Harte Brocken und weiche Katzen

August 11, 2015

Vorletztes Wochenende wurde ich von den Eltern des Couchsurfers, bei dem ich in Johannesburg übernachtet hatte und die in Bloemfontein wohnen, eingeladen, mit ihnen in die Drakensberge nördlich von Lesotho zu fahren. Sie hatten die Unterkunft schon vor längerem für sich und Freunde gebucht und da kurzfristig zwei Leute nicht kommen konnten, war ein Zimmer frei geworden.

Auf der Fahrt sahen wir außerhalb der Kleinstädte große Friedhöfe und Brigitte, die Mutter meines Couchsurfers, erzählte, dass sich die Friedhöfe in den letzten 20 Jahren massiv vergrößert hätten – da werden die Folgen der AIDS-Epidemie direkt sichtbar. Südafrika hat eine der höchsten AIDS-Quoten der Welt (um die 20 % der erwachsenen Bevölkerung bzw. über 5 Millionen Menschen sind infiziert). In der Folge weist die südafrikanische Bevölkerung ein negatives Wachstum auf, was nur durch hohe Zuwanderungszahlen aus den angrenzenden Staaten kompensiert wird. Zudem ist die Lebenserwartung innerhalb von 15 Jahren um 20 Jahre gefallen (auf nur noch 43 Jahre in 2005), seitdem erholt sie sich langsam wieder (auf heute 49 Jahre). Grund dafür ist, dass die jetzige Regierung im Gegensatz zur vorherigen massiv in Präventions-, Aufklärungs- und Behandlungsprogramme investiert. Der letzte Präsident hatte bestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen AIDS und HIV gebe und dass es sich bei AIDS überhaupt um eine Krankheit handele. Übertroffen werden die AIDS-Quoten noch in den direkt angrenzenden Zwergstaaten Lesotho und Swasiland, wo um die 40 % der Bevölkerung infiziert sind und es (zumindest in Lesotho) kaum noch Menschen um die 35 Jahre gibt, weil quasi eine ganze Generation ausgelöscht wurde.

Am Rande erwähnt sie, dass die Infektionsquoten unter der weißen Bevölkerung auf einem ähnlichen Niveau liegen wie in Zentraleuropa – ein weiterer Aspekt, wo sich die Ungleichheit zwischen den Bevölkerungsgruppen deutlich zeigt.

Ein weiterer Erklärungsansatz für die rasche Ausbreitung des Virus ist die extrem weit verbreitete sexuelle Gewalt. Zitat Wikipedia: „Das Land weist die höchste Rate an Vergewaltigungen in der Welt auf. Bei einer Studie in den Provinzen Eastern Cape und Kwazulu-Natal gaben 27,6 % aller befragten Männer an, schon mindestens einmal eine Frau vergewaltigt zu haben, die Hälfte davon gab mehrere Vergewaltigungen zu. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl kann somit mit vielen Millionen Vergewaltigungen in den letzten Jahrzehnten gerechnet werden. Statistisch muss jede zweite Südafrikanerin damit rechnen, einmal in ihrem Leben vergewaltigt zu werden. Damit ist es für eine Frau wahrscheinlicher, vergewaltigt zu werden, als lesen zu lernen.“  

Als wir weiterfuhren und an mehreren Kleinstädten vorbeikamen, meinte Brigitte, dass es so schlimm sei, dass diese sich in den letzten Jahren so stark ausbreiten würden und früher die Natur noch viel ungestörter gewesen sei. Angesichts der Tatsache, dass es zum Großteil die Townships der nicht-weißen Bevölkerung sind, die um die Städte herum wuchern, habe ich sie gefragt, ob das nicht vielleicht daran liegen könnte, dass zu Apartheid-Zeiten versucht wurde, die Nicht-Weißen in sogenannte Homelands einzupferchen und daher die Städte kleiner waren.

Daraufhin präsentierte sie eine, nennen wir es mal „interessante“ Darstellung der Apartheid: Die Rassentrennung sei mit dem Ziel eingeführt worden, die Kulturidentität der Schwarzen zu erhalten und daher sei auch die versuchte territoriale Desintegration positiv zu sehen. Es gebe heute viele Schwarze, die sagten, dass zu Apartheid-Zeiten die medizinische Versorgung besser gewesen sei als heute und die sich daher dorthin zurückwünschten. Selbst wenn es stimmen mag, dass heute manches schlechter organisiert ist, ist ihre Schlussfolgerung ungefähr so, wie wenn man sagte, dass Hitler gute Autobahnen gebaut habe und daher unter den Nazis alles toll gewesen sei. Negative Aspekte der Apartheid hat sie mit keinem Wort erwähnt (z.B., dass Schwarze nicht wählen durften oder dass die Homelands 14 % der Fläche Südafrikas umfassten, während die Schwarzen 80 % der Bevölkerung ausmachten, sodass in den Gebieten die Bevölkerungsdichte extrem hoch und die für deren Versorgung zur Verfügung stehende Fläche viel zu klein war).

Diese Bergkette sind die "richtigen" Drakensberge bzw. in diesem Falle Malutis, wie sie in Lesotho heißen. Der Teil liegt bereits hinter der Grenze und gehört zu Lesotho.

Ich hatte schon mehrere Situationen, wo ältere weiße Südafrikaner ihre Verachtung/abschätzige Haltung gegenüber der schwarzen Bevölkerung nicht offen zeigten, sondern diese eher latent im Subtext mitschwangen. Beispiel: Ich hatte ja schon über Loadshedding/Stromausfälle aufgrund der Energieknappheit geschrieben. Im Gespräch darüber erzählten sie, dass es in Western Cape, was übrigens die einzige Provinz sei, die eine weiße Regierung habe, kein Loadshedding gebe, weil dort vernünftige Energiepolitik gemacht werde. Nach dem Motto: Die schwarzen Provinz-/Bundesregierungen sind allesamt inkompetent (das haben sie an anderer Stelle auch mehrfach explizit so gesagt).

Am zweiten Tag waren wir im Basotho Cultural Village, das im Innern des Golden Gate National Parks liegt. Basotho heißen die Einwohner des nahegelegenen und völlig von Südafrika umschlossenen Lesotho. Das Cultural Village ist eine Art Freiluftmuseum bzw. der Nachbau von Hütten aus verschiedenen Epochen, um deren Entwicklung und die Dorfstruktur zu veranschaulichen. Ergänzt wurde das Ganze durch Einheimische, die die verschiedenen wichtigen Positionen im Dorf (Chief, Medizinmann, Ehefrauen etc.) spielten. So mussten wir zum Beispiel vor Betreten des Dorfes beim „Chief“ die Erlaubnis zur Besichtigung einholen. Glücklicherweise bekamen wir diese umgehend erteilt und wurden bei der Gelegenheit auch gleich noch auf selbstgebrautes Hirsebier eingeladen. Alles war ganz nett gemacht, dennoch war die Situation etwas bizarr: Fünf Weiße auf der einen Seite und an jeder Station ein oder zwei semi-motivierte Schauspieler, die sich dennoch bemühten, den Anschein zu wahren, sie seien wirklich der Medizinmann o.ä. (Das soll kein Vorwurf an die Leute sein, kann ich gut verstehen.). Und dann waren der Chief und sein Assistent am Ende auf einmal das Musikantenstadl :). Aber nichtsdestotrotz war der Besuch sehr informativ. So lernten wir beispielsweise, dass der Chief bis zu fünf Ehefrauen hatte. Die erste wurde von der Dorfgemeinschaft gewählt und die so Auserwählte durfte dann die Weiteren bestimmen.  

Gestern (Nachhol-Feiertag für den National Women’s Day am Sonntag) war ich mit Michèle und Nadja, zwei anderen deutschen Praktikantinnen hier an der Uni, in einem Wildkatzen-Aufzuchtprojekt namens „Cheetah Experience“ nahe Bloemfontein. Die Katzen sind allerdings nicht, wie in vielen anderen Projekten der Fall, als Jagdobjekte für zahlungskräftige Jagd-Touristen vorgesehen, sondern werden in Wildreservate/Nationalparks gegeben. Natürlich geht das nur, wenn sie sich nicht zu sehr an Menschen gewöhnt haben, weswegen manche Katzen auch für immer dort bleiben. Ein paar der Babys konnte man sogar streicheln 🙂