Südafrika

Wo Schildkröten Vorfahrt genießen

September 12, 2015

Vor einer Woche endete der eigentliche Grund meines Südafrika-Aufenthalts: Mein Praktikum. Eigentlich hatte ich schon früher vorgehabt, darüber zu schreiben, allerdings gab es leider nichts wirklich Erwähnenswertes zu berichten. Ich arbeitete in einer Forschungsgruppe für „Extreme Biochemie“, die Mikroorganismen benutzt, um die Umweltverschmutzungen, die durch Bergbauaktivitäten entstehen (Wasser, Boden), zu bereinigen. Meistens läuft das so ab, dass Wasserproben aus der Mine genommen und diese anschließend einerseits auf die vorliegende Verunreinigung und andererseits auf die bereits vorhandenen Mikroorganismen und deren Eigenschaften untersucht werden. Oft ist es nämlich so, dass in z.B. mit Nitrat belastetem Wasser diejenigen Bakterien, die Nitrat verstoffwechseln, durch Selektionsmechanismen in höherer Menge vorkommen als normal. Ist das der Fall, ist das Ziel meiner Arbeitsgruppe, die Umweltbedingungen so zu modifizieren, dass genau diese Bakterien noch mehr gefördert werden und so das Wasser dekontaminieren können. Praktisch werden dann vor Ort Bioreaktoren aufgestellt, durch die das verschmutzte Wasser hindurch gepumpt wird und dieses danach ausreichend gereinigt ist, um es in den nächsten Fluss/See pumpen zu können. Die Bioreaktoren sind mit einer Trägermatrix (z.B. Stein, Holz, Plastik) gefüllt, auf denen die Bakterien einen Biofilm bilden.

An diesem Punkt setzten die zwei kleinen Projekte an, an denen ich während meines Praktikums arbeitete: Da das Ziel ist, das Wasser zu reinigen, ist es natürlich unerwünscht, dass das Trägermaterial toxische Substanzen ins Wasser abgibt. Obwohl Holz-Schnitzel weite Verwendung finden, ist deren Verhalten nicht wirklich erforscht. Darum führte ich verschiedene Experimente durch, um herauszufinden, welche Substanzen abgegeben werden und in einem zweiten Schritt, ob diese toxische Wirkung auf Bakterien und andere Lebewesen haben. Im zweiten Mini-Projekt ging es darum, herauszufinden, ob das Wasser aus zwei verschiedenen Minen, das mit Nitrat belastet ist, Bakterien enthält, die denitrifizieren können. Im Prinzip habe ich getestet, ob die vorhandenen Bakterien die Gene besitzen, die sie für die verschiedenen Schritte der Denitrifizierung benötigen.

Ja, in der Theorie klingt das ziemlich spannend. Praktisch sah es so aus, dass ich die ersten sechs Wochen im Wesentlichen verschiedene Extraktionen ausgeführt habe (man nehme 50 g Holz-Schnitzel + 1 L saure Lösung, mixe das ganze 18 Stunden lang und filtriere anschließend die flüssige Phase) – nicht sonderlich kompliziert und auf Dauer auch recht eintönig. Auf das Praktikum beworben hatte ich mich eigentlich wegen der molekularen Tests, mit denen ich allerdings erst in der vorletzten Woche anfangen konnte, weil wir einen Baustein neu bestellen mussten und er erst spät ankam. Dafür haben die letzten beiden Wochen dann aber auch viel Spaß gemacht und meinen Gesamt-Eindruck vom Praktikum deutlich nach oben geschraubt.

Unterstützt wurde ich bei der molekularen Arbeit von Karabelo, genannt KB, einem PhD-Studenten. Neben dem Studium hat er, wie einige andere im Lab auch, noch ein kleines „business“ laufen: Er hat einen kleinen Pick-Up-Truck und fährt damit für Leute Sachen durch die Gegend. Leider hat das zur Folge, dass seine Anwesenheit im Labor etwas unberechenbar ist: Eines Abends waren wir gerade dabei, ein Experiment anzusetzen, als ihn eine Frau anrief: Ob er in fünf Minuten bei ihr vorbeikommen könne? (An sich auch schon eine bemerkenswerte Haltung) Da unser Experiment danach sowieso eine Stunde laufen musste, sagte er zu und versprach, in einer Stunde wieder im Labor zu sein. Zurück kam er zweieinhalb Stunden später 🙂 Letztlich war ich dann bis neun im Labor, aber er hat mich dafür auch nach Hause gebracht… (und er ist wirklich nett, sodass ich ihm nicht wirklich böse sein konnte :))

Angesichts der Tatsache, dass ich einen guten Teil des Praktikums beschäftigungslos herumsaß und das, was ich gelernt habe, auch in wesentlich weniger Zeit hätte lernen können, stellt sich mir ein bisschen die Frage, ob es aus akademischer Sicht wirklich so sinnvoll ist, deutsche Studierende mit viel Geld in alle Teile der Welt zu schicken. Aber vielleicht ist das auch ein Südafrika-spezifisches Problem (bei allen sechs anderen deutschen Praktikantinnen hier war das Verhältnis Beschäftigtsein-Herumsitzen ähnlich wie bei mir oder sogar noch schlechter). Und natürlich stellt bei dem DAAD-Programm der akademische Aspekt nur eine von mehreren Facetten dar, die bei den Studierenden gefördert werden sollen. Und bei den anderen stimme ich der Sinnhaftigkeit auf alle Fälle zu 🙂

Mit KB, der mir viel beigebracht hat.

So ging also letzten Freitag meine Zeit in Bloemfontein zu Ende. Wie nur zwei Monate zuvor in der Schweiz war es traurig und seltsam, mich von Leuten, mit denen ich mich gerade angefreundet hatte, zu verabschieden und zu wissen, dass ich sie wahrscheinlich nie wieder sehen werde. Aber immer noch besser so, als wenn alle unfreundlich gewesen wären und ich mich gefreut hätte, endlich wegzukommen 🙂

Weg kam ich mit dann einem Bus, der mich über Nacht ins 1000 km entfernte Kapstadt zum Beginn des zweiten Teil meines Aufenthalts brachte: Meiner Rundreise. Als ich am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang aus dem Busfenster schaute, sah ich etwas, was ich seit acht Wochen nicht mehr gesehen hatte: Eine grüne Landschaft. Kapstadt liegt an der Küste und ist daher wesentlich regenreicher als Bloemfontein. In Kapstadt traf ich Tina, die ihr DAAD-Praktikum in Kapstadt gemacht hatte. Die ersten vier Tage verbrachten wir in Kapstadt und Umgebung.

Eines der Highlights war für mich der Besuch in den Kirstenbosch Botanical Gardens, die als einer der sieben schönsten und wichtigsten Botanischen Gärten der Welt ausgezeichnet wurden. Grund dafür ist, dass Kapstadt und Umgebung ein eigenes von insgesamt nur sechs Florenreichen der Erde bildet. Dies sind Gebiete, die sich durch eine eigenständige Flora auszeichnen. So bildet zum Beispiel fast die ganze Nordhalbkugel eines dieser sechs Reiche, und im Gegensatz dazu Kapstadt und die enge Umgebung ein anderes. Verantwortlich dafür ist das durch eine Bergkette bedingte besondere Klima, das Kapstadt Regen im Winter und Hitze im Sommer bringt. Dadurch wird die Vegetation von kleinwüchsigen Büschen mit schmalen, harten Blättern dominiert, auf Afrikaans „fynbos“ genannt.

Im Botanischen Garten hatten wir das Glück, zufällig genau zum Beginn einer kostenlosen Führung einer älteren Dame anzukommen, die seit 30 Jahren ehrenamtlich dort arbeitet und gefühlt zu jeder Pflanze eine Geschichte hätte erzählen können. Als Einleitung erklärte sie stolz, dass es auf dem Tafelberg alleine mehr Pflanzenarten gibt als in ganz Großbritannien und während Schottland auf seine 4 Erika-Arten stolz sei, gebe es rund um Kapstadt über 800! Der Botanische Garten stellt nur Pflanzen aus der Kapregion dar, was die Gärtner aber vor große Herausforderungen stellt: Der Garten liegt am niederschlagreichsten Punkt Kapstadts (über 1200 mm/Jahr), während es auf der anderen Seite des Tafelbergs nur halb so viel und drei Kilometer weiter im Stadtzentrum sogar nur ein Drittel davon regnet. Das Klima ändert sich also auf einer winzigen Fläche beträchtlich und da jede Art daran angepasst ist, ist es oft schwer, Pflanzen im Botanischen Garten zum Wachsen zu bringen, die natürlich nur wenige Kilometer entfernt bestens gedeihen. So wurde zum Beispiel ein nach drei Seiten offenes Gewächshaus gebaut, das lediglich den Regen abhalten soll, um trockenheitsliebende Pflanzen zu fördern.

Nach der Führung nahmen wir vom Botanischen Garten aus einen der über 900 Wanderwege, die auf den Tafelberg führen und konnten beim Aufstieg gut sehen, wie sich praktisch alle 15 Minuten die Vegetation änderte, gerade beim Anstieg am Anfang, der uns von gut 200 Metern auf den höchsten Punkt (1085 Meter) brachte – und das nur wenige Kilometer vom Strand entfernt! Aufgrund seiner Vegetation gilt der Tafelberg als eines der 7 neuen Weltwunder der Natur.

... und von ganz oben, im Bild die Innenstadt von Kapstadt.  In der Bildmitte liegt Robben Island, wo Nelson Mandela inhaftiert war.

Im Vorfeld hatten mir so gut wie alle Südafrikaner*innen Kapstadt angepriesen à la „You will definitely love it!“/ „It’s absolutely amazing!“ / „Cape Town is the most beautiful city in the world!“, sodass ich ein bisschen skeptisch war, ob es dieser hohen Messlatte genügen würde. Doch schon nach den wenigen Tagen, die ich da war, kann ich ihre Meinung gut nachvollziehen, gerade im Vergleich zu Bloemfontein. Zumindest war ich vorher noch nicht in einer Stadt, in der Strände und Berge, Weinbaugebiete und tosender Atlantik, europäisches Flair im Zentrum und mediterranes Feeling im Hafenbereich (aber natürlich auch Villenviertel und townships) so nah beisammen liegen. Und auch kulinarisch war Kapstadt nach Bloemfontein eine sehr angenehme Abwechslung mit vielen Foodmarkets, auf denen hochqualitative Lebensmittel aus der Region angeboten werden.